Die Judenbuche
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INFO DAS PROJEKT BETEILIGTE RESONANZ DIE JUDENBUCHE
Reinhold Schulte Solist des Nachtkonzertes

Nachtkonzert vor finsterer Kulisse

Jugendorchester spielt erstmals die "Judenbuche" und fesselt das Publikum zu später Stunde

Von Alix Sauer

Havixbeck. Das Ende eines Lebens bedeutete er in jedem Fall, der Mord an dem Juden Aaron in der Judenbuche von Annette von Droste-Hülshoff. Und dies wurde am späten Samstagabend auch musikalisch umgesetzt: als Höhepunkt in Form eines Schlussakkords. Das Leben ist vorbei, Ende, aus. So endgültig klang dieser geballte instrumentale Aufschrei, dass einige Zuschauer sich schon am Schluss des Musikstückes wähnten und voreilig zu klatschen anfingen.

Doch das Kriminalstück der münsterländischen Dichterin endet nicht mit dem Mord, und so war auch die Komposition von Marco Pütz noch nicht an ihr Ende angelangt. Dieses kam hinterher sehr viel leiser, verstohlener daher, in klagenden Flötentönen. Ein gleichmäßiges Ticken begleitete die spärlichen Töne, das unweigerlich an eine Uhr denken ließ, an verrinnende Zeit. An die Zeit, die richtet, die dafür sorgt, dass auch der Mord am Juden Aaron nicht ungesühnt bleibt.

Großer Applaus belohnte die Musiker des Jugendorchesters am Samstagabend für die gekonnte Uraufführung der Judenbuche. In einem Nachtkonzert auf dem Kirchplatz stellten sie das Stück einem großen Publikum vor. Doch der Applaus galt nicht allein den Musikern, sondern auch dem Komponisten Marco Pütz, der zur Uraufführung seines Werkes aus Luxemburg angereist war. Er hatte es verstanden, mit kurzen, eingängigen Motiven und Anlehnungen an bekannte Musikformen die Novelle Droste-Hülshoffs in zehn Bildern nachzuempfinden. Zum besseren Verständnis gab Dirigent und Musikschulleiter Reiner Becker einen kurzen Überblick über die Handlung und die wichtigsten Personen der Judenbuche und ließ dabei die Musiker signifikante Motive für die Charaktere anspielen. So fiel es leicht, im zusammenhängend vorgetragenen Musikstück die Handlung herauszuhören und mit zu verfolgen.

Ganz ohne Zutun der Musiker verstärkte sich die düstere Grundstimmung der Judenbuche durch die Atmosphäre auf dem Kirchplatz. Immer wieder raschelten die Blätter der Linden, die sich wie ein Dach über den Zuschauern erstreckten. Mal leise flüsternd, mal ungestüm aufschäumend war das Laub ein zusätzliches Instrument im Orchester.

Und nicht nur bei der Judenbuche war die Atmosphäre ein wesentlicher Bestandteil des nächtlichen Konzertes. Der dunkle, geheimnisvolle Kirchplatz diente als hervorragende Kulisse für den Traum des Oenghus. Fast wie ein Schall vom Kirchturm ertönte zu Anfang die Millennium-Fanfare. Und die Enge des Platzes, die durch die dicht um die Kirche angeordneten Häuser entsteht, verdeutlichte die Hilflosigkeit der Menschen am Fuße des Vesuvius. Nach langem Beifall verabschiedeten sich die Musiker mit einem bekannten Wiegenlied: Guten Abend, gute Nacht gaben sie dem Publikum mit auf den Heimweg von einem gelungenen Konzert.

WN - Montag 4. September 2006

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